Das Pflegesatzverfahren
Nach Abschluss der internen Kalkulation ist das Pflegesatzverfahren bzw. die Vergütungsverhandlung einzuleiten. Hier gibt es jedoch massive Unterschiede zwischen den Sektoren:
1. Stationäre Pflegeeinrichtung
Bei der stationären Pflege kann zum Ablauf der laufenden Pflegesatzperiode eine Aufforderungen an die Kostenträger (Pflegekassen und Sozialhilfeträger) gerichtet werden, mit Pflegesatzverhandlungen zu beginnen. Dabei ist es je nach Einzelfall sinnvoll sein, bereits schlüssig und transparent die aufgearbeiteten Kalkulationsunterlagen und ggf. Nachweise für Kostenpositionen, die vom Durchschnitt abweichen, vorzulegen. Die Kostenträger haben dann 6 Wochen Zeit, die Unterlagen zu prüfen, ein Angebot vorzulegen und in Verhandlungen zu treten. Je nach Einzelfall können im Verfahren nachträgliche Informationen oder Unterlagen angefordert werden. Teilweise werden die Verhandlungen telefonisch, teilweise in einer persönlichen Verhandlung in der Einrichtung geführt.
Gibt es nach den 6 Wochen noch keine Vereinbarung, wäre theoretisch zur Fristwahrung ein Schiedsstellenantrag zu stellen. Es kommt dann auf den Stand der Verhandlungen an. Sind die Verhandlungen festgefahren, wird ein solcher Schiedsstellenantrag unumgänglich sein. Sind nur kleinere Punkte zu klären, kann häufig in Rücksprache mit den Kostenträgern auch eine Überschreitung von wenigen Wochen unschädlich sein. Wichtig ist dieser Punkt, weil die Kostenträger keiner rückwirkenden Pflegesatzerhöhungen zustimmen werden. Dauert also eine Verhandlung nicht 6 Wochen, sondern z.B. 6 Monate, kann die Einrichtung nicht rückwirkend für diese 6 Monate die Heimentgelterhöhung bei den Bewohnern durchsetzen.
Gibt es eine Einigung zu den Pflegesätzen, wird eine Vergütungsvereinbarung geschlossen. Da diese Vergütungsvereinbarung in der Regel für 1 Jahr abgeschlossen wird, ist es sinnvoll, nicht erst deren Ablauf abzuwarten, sondern – sofern gewünscht – rechtzeitig neue Pflegesatzverhandlungen aufzunehmen. Die Vorarbeiten sollten ca. 3 Monate vor Ablauf des jeweiligen Zeitraums stattfinden. Dies ist erforderlich, um die neuen Sätze zu kalkulieren, die 6-wöchige Pflegesatzverhandlung durchzuführen und anschließend die 4-wöchige Heimentgelterhöhung bei den Bewohner zu veranlassen.
2. Ambulante Pflegedienste
Für ambulante Pflegedienste ist das Pflegesatzverfahren nach § 89 SGB XI nicht so konkret geregelt wie in der stationären Pflege. Einzelverhandlungen gibt es selten und sind wegen fehlender Strukturen komplex. Regelmäßig geben sich Pflegedienste deswegen mit niedrigen Entgeltpunkten und marginalen Pauschalsteigerungen zufrieden, die ein auskömmliches wirtschaften, gerade für Einsteiger, kaum möglich macht.
In Niedersachsen gibt es allerdings seit November 2021 ein neues, derzeit noch ermutigendes Verfahren. Ausgehend von den Gehältern des Pflegepersonals, werden die Pflegedienste verschiedenen „Clustern“ zugeordnet, aus denen sich die Entgeltpunkte ablesen lassen.
So ermutigend dieses einfache Verfahren ist, desto mehr besteht jedoch die Gefahr, dass die Clusterbildung nach „Kassenlage“ vorgenommen wird. Dennoch bleiben auch hier Einzelverhandlungen möglich.
Die konkrete Entwicklung in Niedersachsen wird man beobachten müssen. Vielleicht ist dies auch ein Vorreitersystem für den Bund.
3. Häusliche Intensivpflege
In der ambulanten Intensivpflege herrscht ein gewisses Chaos. Der Pflegedienst muss mit jeder einzelnen Krankenkasse eine Vergütungsverhandlung führen, wenn er Patienten betreut, die bei dieser Krankenkasse versichert sind. Bei der Vielzahl der verschiedenen Krankenkassen, können dabei eine erhebliche Anzahl von Einzelverhandlungen erforderlich werden.
Hinzu kommt, dass es keine konkreten Verfahren oder Strukturen gibt. Jede Krankenkasse hat ein eigenes Verhandlungssystem und eigene Grenzwerte. Allerdings hat sich gezeigt, dass eine konkrete Kalkulation der Personal- und Sachkosten sowie fachkundige Verhandlungen, zu angemessenen Ergebnissen führen können. Einrichtungen, denen die Erfahrung fehlt, sollten solche Verhandlung nicht alleine führen, da für den Laien nur schwer zu erkennen ist, ob die Angebote der Kassen angemessen sind. Häufig konnten Verhandlungen mit anwaltlicher Begleitung um „einige Euro“ pro Zeitstunde besser abgeschlossen werden, als Verhandlungen, die der Pflegedienst alleine versucht hat.
Bei der häuslichen Intensivpflege ist es noch üblich, die Vergütungsvereinbarung zu kündigen. Dafür sind die jeweiligen Laufzeiten und die vereinbarten Kündigungsfristen zu beachten. Auch diese unterscheiden sich zwischen den Kassen erheblich.
Weiter mit der Heimentgelterhöhung.