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BSG stärkt Gewinnanspruch von stationären Pflegeeinrichtungen

Mit seiner Entscheidung vom 19.4.2023 eröffnet das BSG stationären Pflegeeinrichtungen die Möglichkeit, einen angemessenen Gewinnzuschlag (sog. Wagniszuschlag, Unternehmerrisiko, Unternehmerlohn usw.) auf alle Gestehungskosten, also auch auf Unterkunft und Verpflegung, bei Pflegesatzverhandlungen zu vereinbaren.

Während nach der Entscheidung vom 26.09.2019 die Hürden für die Vereinbarung eines solchen Gewinnzuschlages vom BSG stark heraufgesetzt wurden, hat der 3. Senat des BSG in seiner aktuellen Entscheidung diese Hürden wieder deutlich herabgesenkt.

Die wesentlichen Eckpunkte der Entscheidung sind:

  1. Bestätigung, dass Pflegesatzverhandlungen in einem zweigliedrigen Prüfungsschema durchzuführen sind:
    • Erste Schritt: Abschätzung der voraussichtlichen Kosten in der Pflegeeinrichtung für die bevorstehende Pflegesatzperiode (Prognose).
    • Zweite Schritt: Prüfung der Leistungsgerechtigkeit.
  2. Die Pflegesätze müssen leistungsgerecht sein. Leistungsgerecht sind die Pflegesätze, wenn
    • die voraussichtlichen Gestehungskosten der Einrichtung nachvollziehbar und plausibel dargelegt werden und sie
    • unter Berücksichtigung einer angemessenen Gewinnchance
    • in einer angemessenen und nachprüfbaren Relation zu den Sätzen anderer vergleichbarer Einrichtungen stehen (externer Vergleich).
  3. Geltend gemachte Pflegesätze sind demnach nicht angemessen, wenn die Kostenansätze und erwarteten Kostensteigerungen nicht plausibel erklärt werden können oder die begehrten Sätze im Verhältnis zu anderen Pflegeeinrichtungen unangemessen sind.
  4. Anders als 2019 erkennt das BSG jetzt auch an, dass eine angemessene Vergütung des Unternehmerrisikos nicht nur auf die Pflegesätze, sondern auch auf die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung anzusetzen ist.
  5. Insoweit können die Einrichtungsbetreiber in den Vergütungsvereinbarungen Positionen zur Abgeltung des unternehmerischen Wagnisses, Gewinns und Unternehmerlohns verhandeln. Dies gilt für alle Gestehungskosten, mit Ausnahme der nach § 82 Abs. 2 SGB XI getrennt zu verhandelnden Investitionskosten (sog. I-Kosten).
  6. Grundsätzlich sind solche Gewinnerwartungen nicht bereits in die Gestehungskosten einzubeziehen, sondern gesondert zu verhandeln. Dies folgt daraus, dass die Gestehungskosten nachvollziehbar und plausibel darzulegen sind.
  7. Über die Bemessung der angemessenen Gewinnchance als Teil der Pflegesätze und der Entgelt für Unterkunft und Verpflegung, darf eine Schiedsstelle nach pflichtgemäßen Ermessen ohne Bindung an ein bestimmtes bundesrechtlich vorgegebenes Verfahren entscheiden.
  8. Die Realisierung von Gewinnchancen könnte z.B. über einen festen umsatzbezogenen Prozentsatz geschehen oder über die Auslastungsquote gesteuert werden, sofern diese im Vergleich zu anderen Einrichtungen realistisch angesetzt wird.
  9. Auch die Auslagerung von Leistungen auf Dritte können eigene Unternehmerrisiken begründen.
  10. Am strengen umfangreichen Amtsermittlungsgrundsatz der Schiedsstelle hält das BSG nicht mehr fest, sondern hält es für ausreichend, dass sich die Schiedsstelle auf den Vortrag der Parteien beschränken darf, soweit sie nicht selbst Zweifel am unterbreiteten Sachstand hat oder darauf substantiiert hingewiesen wird.
  11. Dem Schiedsspruch muss zu entnehmen sein, dass die von ihr festgesetzten Pflegesätze und Entgelte einem abschließenden Vergleich mit den Vergütungen anderer Einrichtungen unterzogen wurde.

Praxistipp:

Mit der aktuellen Entscheidung hat das BSG für mehr Klarheit bei den Pflegesatzverhandlungen gesorgt und gleichzeitig die Position der Pflegeeinrichtungen gestärkt. Nunmehr ist eindeutig, dass ein Anspruch auf einen Gewinnzuschlag nicht nur auf die Pflegesätze, sondern auch bei Unterkunft und Verpflegung aufzuschlagen ist.

Der Wermutstropfen bleibt, dass das BSG keine Angaben zur Höhe und zur Ermittlung eines solchen Unternehmerlohnes gibt. Allerdings hat es den von der Schiedsstelle Schleswig-Holstein angewendeten Ansatz, auf der Grundlage der IEGUS-Studie einen Unternehmergewinn von grds. 4,96 % anzusetzen, nicht vollständig beanstandet. Allerdings bleibt die Schiedsstelle verpflichtet, die Angemessenheit des angesetzten Wagniszuschlages mit anderen Pflegeeinrichtungen zu vergleichen. Da der Unternehmerlohn bisher stiefmütterlich behandelt wurde, wird es in den nächsten Jahren darauf ankommen, diesen Anspruch in den Pflegesatzverhandlungen substantiiert und verstärkt einzufordern.

Pflegeeinrichtungen bleiben deshalb gut beraten, ihre Zahlen für die Pflegesatzverhandlungen gut aufzubereiten und ihre berechtigten Interessen auch notfalls in der Schiedsstelle durchzusetzen. Die Erfahrung zeigt aber, dass bei einer guten Darlegung der Zahlen die Kostenträger bereit sind, eine auskömmliche Vergütung zu vereinbaren. Nur wenn der Pflegeheimbetreiber diese Vorarbeiten scheut und sich nicht mit der aktuellen Rechtslage auseinandersetzt, bleibt die Gefahr, von den Kostenträgern nicht die Pflegevergütung zu erhalten, die angemessen und erforderlich wäre.

Es ist deshalb empfehlenswert, sich bei Pflegesatzverhandlungen professionell begleiten zu lassen. Wir unterstützen Sie dabei bundesweit.

Neue Praxisseminare 2021

Beitrag in der Altenheim zur Berechnung von Tariflöhnen in Pflegesatzverhandlungen

Pflegerecht: Tariflöhne in Pflegesatzverhandlungen richtig berechnen!

Die Diskussion um einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag in der stationären Pflege hält an. RA Kälble stellt in einem Beitrag in der Zeitschrift „Altenheim“ die richtige Berechnung von Tariflöhnen dar.

Er verweist darauf, dass es weder einer vertraglichen Tarifbindung noch einer Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband bedarf. Die Pflegekassen müssen dagegen Gehälter bis zur Höhe eines beliebigen Tarifvertrages refinanzieren.

Allerdings sollte man in Pflegesatzverhandlungen darauf achten, dass die Tariflöhne in der richtigen Höhe angesetzt werden. Schließlich ist darauf zu achten, dass der einrichtungseinheitliche Eigenanteil nicht „aus dem Ruder“ läuft.

Mehr zum Thema in der Altenheim Oktober 2019 (www.altenheim.net) oder unter Veröffentlichungen.

Die Personalkosten in der Pflegesatzverhandlung

Häufig ist die „tarifliche“ Vergütung wesentlich höher als von den Pflegekassen zugestanden

Die Personalkosten sind auch in Pflegeeinrichtungen der größte Kostenblock. Für Unternehmen der Pflege haben die Personalkosten existentielle Bedeutung. Zahlt der Betreiber zu geringe Gehälter, gehen Mitarbeiter zu anderen Einrichtungen oder fangen erst gar nicht bei dem Unternehmen an. Auf der anderen Seite kann die Pflegeeinrichtung nur die Gehälter zahlen, die sie in Pflegesatzverhandlungen von den Pflegekassen und den Sozialhilfeträgern refinanziert bekommt.

Zwar hat der Gesetzgeber mit dem neuen § 84 Abs. 2 SGB XI festgelegt, dass die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden kann, jedoch beginnen damit erst die Probleme.

Um die Pflegesatzverhandlung erfolgreich abschließen zu können, muss der Träger vor Beginn der Verhandlungen genau kalkulieren. Insbesondere sind folgende Eckpunkte zu berücksichtigen:

  • Für die Anerkennung tariflicher Vergütung muss die Pflegeeinrichtung keinen Tarifvertrag abschließen oder anerkennen.
  • Die Personalkosten pro Stelle sind anhand des Tarifvertrages zu ermitteln, der als Referenz genommen wird.
  • Die Tarifgehälter können zwischen der Kalkulation der Pflegekassen und des Einrichtungsträgers massiv abweichen. Häufig berücksichtigen die Pflegekassen nicht die diversen Zusatzleistungen, die sich aus einem Tarifvertrag ergeben können.
  • Auf die bisherigen Personal-Ist-Kosten kommt es nicht an, da die Verhandlung prospektiv ist und der Träger ein neues Vergütungssystem etablieren kann.
  • Zusätzlich sind die diversen Personalnebenkosten sorgfältig aufzuarbeiten und zu kalkulieren.
  • Die vorgegebenen Kalkulationsfomulare der Pflegekassen umfassen nicht immer alle relevanten Kostenpositionen.
  • Da die Pflegekassen die Nachweispflichten besonders betonen, ist ein sorgfältig durchdachtes Vergütungssystem zu etablieren.
  • Besonders ist darauf zu achten, keine Zusicherungen gegenüber den Pflegekassen abzugeben, die über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen. Diese werden gerne abgefordert.

Nur wer sich in Kenntnis der genauen Kosten und Verhandlungsstrategien auf die Pflegesatzverhandlungen sorgfältig vorbereitet, wird ein gutes Verhandlungsergebnis erzielen.

Praxistipp: Bereiten Sie sich gut auf die Pflegesatzverhandlungen vor. Stellen Sie konkret die Personalkosten, einschließlich der Personalnebenkosten, dar, die Sie für die Vergütung des Personals, einschließlich des Fremdpersonals, benötigen. Lassen Sie sich nicht von Vorgaben der Pflegekassen zu den Kosten pro Stelle beeindrucken. Diese weichen teilweise ca. 10.000,00 € von dem ab, was eine Tarifstelle tatsächlich kosten würde. Lassen Sie sich professionell unterstützen.

BGH fördert Vertragsbruch von Heimbewohnern