In der außerklinischen Intensivpflege (AKI) herrscht weiter Chaos und Unsicherheit. Der Gesetzgeber wollte die AKI aus der häuslichen Krankenpflege des § 132a SGB V herauslösen und separat in § 132l SGB V regeln. Dazu wurden bereits am 03.04.2023 bundesweite Rahmenempfehlungen nach § 132l SGB V vereinbart. Diese sahen eine Übergangszeit iVm § 132l Abs. 5 Satz 6 SGB V bis zum 30.06.2024 vor. Dann enden die Verträge nach § 132a SGB V für die Erbringung der AKI.

Nun sollte man meinen, dass 12 Monate ausreichend seien, um die Verträge von § 132a auf § 132l SGB V umzustellen, zumal die Intensivpflegedienste bereits seit vielen Jahren ihre Zulassung haben und tätig sind. Stattdessen musste aber „das Rad neu erfunden“ werden. Anstatt dass die Krankenkassen wie in § 132l Abs. 5 SGB V gefordert „gemeinsam und einheitlich“ Verträge mit den Leistungserbringern abschließen, finden in 16 Bundesländern neue umfangreiche Prüfverfahren anhand von den Kassen einseitig vorgegebenen Strukturerhebungsbögen statt. Dies ist für die Pflegedienste ein erheblicher bürokratischer Aufwand, zumal die meisten Abfragen und Nachweise bereits in den Zulassungsverfahren nach § 132a SGB V beantwortet und vorgelegt wurden. Auch die Vorlage von Berufsurkunden mit Beglaubigungsvermerken, die nicht älter als 6 Monate sein dürfen, führen zu einem erheblichen bürokratischen Aufwand.

Wer gehofft hat, dass die Kassen nun rechtzeitig in Vertragsverhandlungen eintreten, wird enttäuscht, zumal in den meisten Bundesländern immer noch keine Vertragsmuster vorliegen, die als Grundlage für die in den Rahmenempfehlungen vorgegebenen Verhandlungen dienen könnten. Soweit im Mai 2024 erste Vertragsentwürfe von den Kassen vorgelegt wurden, weichen diese meist zum Nachteil der Pflegedienste von den Rahmenempfehlungen ab und sehen nicht die vorgesehenen Verhandlungsmöglichen vor.

Hinzu kommt, dass die Kassen sich bislang weitestgehend weigern, in Vergütungsverhandlungen über Stundensätze zu treten. Praktisch ab dem 01.07.2023 führen die Kassen trotz Aufforderung keine Vergütungsverhandlungen. Eigentlich war die Idee, nicht mehr mit allen Kassen Einzelverhandlungen zu führen, zu begrüßen. Die Weigerung der Kassen, solche Verhandlungen in den letzten Monaten zu führen, bringt die Pflegedienste aber in existentielle Schwierigkeiten. Zwar sollen jetzt nicht mehr mit allen Kassen Einzelverhandlungen geführt werden müssen, jedoch sind dafür nun in allen Bundesländern getrennt Einzelverhandlungen zu bestreiten.

Angesichts der Tatsache, dass die Vergütungsverhandlungen zunächst als Einzelgrundverhandlungen zu führen sind und die Kassen bisher noch kein Konzept für solche Verhandlungen entwickelt und den Pflegediensten mitgeteilt haben, ist deutlich abzusehen, dass die Pflegedienste nicht mehr bis zum 30.06.2024 eine neue Vergütungsvereinbarung erhalten werden.

Diese Situation ist sehr unbefriedigend. Im schlimmsten Fall werden die fehlenden Verträge und Vergütungsvereinbarungen dazu führen, dass die Pflegedienste ihre Patienten ab dem 01.07.2024 nicht mehr versorgen dürfen und sich die Pflegedienste nicht mehr finanzieren können. Wie die Kassen dann die Versorgung sicherstellen wollen, ist deren Geheimnis.

Im Moment regiert das Prinzip Hoffnung, nämlich dass die Kassen irgendwie die Bürokratiemühlen verlassen und praxistaugliche und pragmatische Übergangs- bzw. Interimslösungen anbieten. Ob die Kassen dies ggf. nutzen, um „unliebsame“ – also zu „teure“ – Pflegedienste vom Markt zu drängen bzw. für die Pflegedienste nachteilige Vertragsregelungen durchzudrücken, wird abzuwarten sein.

Praxistipp

Soweit noch nicht geschehen, sollte jeder AKI-Pflegedienst gegenüber der für ihn zuständigen Krankenkasse

  • den Abschluss eines Vertrages nach § 132l SGB V beantragen,
  • den Strukturerhebungsbogen mit den Anlagen vollständig ausfüllen und übersenden und
  • eine Aufforderung zu Vergütungsverhandlungen, möglichst mit Kalkulation, abgegeben.

Da die Auffassung vertreten wird, dass mit Abschluss eines Vertrages nach § 132l SGB V die alte Vergütungsvereinbarung nach § 132a SGB V ihre Wirkung verliert, sollte der Abschluss den neuen Vertrages zumindest mit einer Interimsvergütungsvereinbarung gekoppelt werden.

Wer deutliche Steigerungen bei den Stundenlöhnen anstrebt, wird nicht umhin kommen, mit einer konkreten Kalkulation und fundierten Verhandlungsstrategien die Kassen zu überzeugen, dass ein bestimmter Stundensatz für die Refinanzierung der Gestehungskosten erforderlich ist.

Pflegedienste, die einen noch etwas sicheren Weg suchen, sollten vorsorglich das Schiedsverfahren nach §132l Abs. 6 SGB V einleiten, auch wenn dies jetzt bereits sehr knapp ist.

Es wäre zu hoffen gewesen, dass dieses Verfahren von „Bürokratiemonstern“ und „Grabenkämpfen“ befreit geblieben wäre, was aber wohl nur ein schöner Traum war.