Impfpflicht in der Pflege

Der Koalitionsvertrag der Ampel und die Pflege

Was bedeutet der Koalitionsvertrag der Ampel für die Pflege?

Am 24.11.2021 wurde der Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien (SPD, FDP, Grüne) zu dem Titel „Mehr Fortschritt wagen“ veröffentlicht. Welche Ziele für die ambulante und stationäre Pflege aus Sicht der Leistungserbringer vereinbart wurden, wollen wir kurz darstellen:

  1. Die Koalitionäre erklären vorab, dass sie einen Aufbruch in eine moderne sektorenübergreifende Gesundheits- und Pflegepolitik wollen.

Auch wenn die aktuelle Pflegereform eher die Stärkung der stationären Pflege vorsieht, scheinen sich die Vertragspartner der Forderung nach Abschaffung oder zumindest Aufweichung der Sektorengrenzen annehmen zu wollen. Wie dies umgesetzt werden soll, ist nicht geregelt.

2. In der stationären Pflege sollen die Eigenanteile begrenzt und planbar gemacht werden. Die aktuelle Reduzierung der Eigenanteile soll dagegen erst beobachtet werden, um dann zu prüfen, wie der Eigenanteil weiter abgesenkt werden kann.

Die Heraushebung der stationären Pflege scheint im Widerspruch zur sektorenübergreifenden Pflege zu stehen. Ein Bekenntnis zum sog. „Sockel-Spitze-Tausch“ ist den Ankündigungen nicht zu entnehmen. Die Ankündigung einer Prüfung ist nicht fortschrittlich.

3. Die Ausbildungsumlage soll aus den Eigenanteilen herausgenommen und nunmehr steuerfinanziert werden.

Angesichts der erheblichen Steigerungen der Ausbildungsumlage, scheint die Steuerfinanzierung der Ausbildung eine echte Entlastung der Bewohner und Belastung der Steuerzahler zu bedeuten. Jedenfalls wird hierdurch eine Solidarisierung der Gesellschaft für die Förderung der Ausbildung in der Pflege erreicht.

4. Die Behandlungspflege in der stationären Versorgung soll der gesetzlichen Krankenversicherung übertragen und pauschal ausgeglichen werden.

Hier könnten die Einzelheiten interessant werden. Möglicherweise könnten sich dadurch die finanziellen Vorteile der Ambulantisierung abschwächen oder beendet werden. Allerdings könnte dann auch der wirtschaftliche Anreiz für neue Modelle und innovative Wohnformen fehlen.

5. Der Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung soll moderat angehoben werden.

6. Innovative quartiernahe Wohnformen sollen im SGB XI aufgenommen und gefördert werden.

7. Der bedarfsgerechte Ausbau der Tages- und Nachtpflege sowie die solitäre Kurzzeitpflege soll unterstützt werden.

8. Kurzzeit- und Verhinderungspflege sollen in einem Entlastungsbudget mit Nachweispflicht zusammengefasst werden.

9. Die Ergänzung der Pflegeversicherung als „Teilkaskoversicherung“ um eine freiwillige, paritätisch finanzierte Vollversicherung soll geprüft werden.

10. In der Langzeitpflege soll der Ausbau des Personalbemessungsverfahrens beschleunigt werden, wobei auch als Übergangsinstrument ein bedarfsgerechter Qualifikationsmix eingeführt werden soll.

Soweit mit der Pflegereform bereits neue Personalanhaltswerte mit erhöhten Personalbedarfen geregelt wurden, ist es nicht nachvollziehbar, wo bei noch höherer Personalausstattung das erforderliche Pflegepersonal zu akquirieren wäre.

Der Qualifikationsmix mit einer Ausweitung der Befugnisse von Assistenten, bei gleichzeitiger Aufweichung der starren Fachkraftquote, könnte dagegen eine dringend notwendige Unterstützung zum Kampf gegen den Personalmangel sein.

11. Die angekündigten besseren Löhne in der Pflege mit dem Ziel der Gleichstellung der Kranken- und Langzeitpflege dürften aufgrund der „Tarifbindung“ in der aktuellen Pflegereform bereits spätestens ab dem 01.09.2022 Realität sein.

12. Die weitere Steuerbefreiung von Zuschlägen in der Pflege dürfte angesichts der beharrlichen Praxis der DRV, Beiträge auf SFN-Zuschläge im Krankheits- und Urlaubsfall zu erheben, zu begrüßen sein.

13. Es soll einen weiteren steuerfreien Pflegebonus für Pflegekräfte von 3.000,00 € geben, der die Steuerzahler ca. 1 Milliarde Euro kosten wird.

Zwar wird dies die Pflegekräfte kurzfristig freuen, jedoch wäre das Geld für nachhaltigere Projekte sicherlich besser angelegt gewesen. So beträgt z.B. der Zuschuss für die Entwicklung von zukunftsfähigen Personalkonzepten in der Pflege nach § 8 Abs. 7 SGB XI lediglich 100 Millionen pro Jahr und ist bis 2024 befristet.,

14. Soweit die Vereinfachung und Beschleunigung für die notwendige Gewinnung von ausländischen Fachkräften und die Anerkennung von im Ausland beworbenen Berufsabschlüsse beworben wird, dürfte dem insbesondere der Föderalismus und weiterhin die deutsche Bürokratie im Wege stehen.

15. Die beabsichtigte Befragung aller professionell Pflegenden zur Selbstverwaltung, dürfte angesichts der desaströsen Meinung der meisten Pflegekräfte zu den Pflegekammern überflüssig sein.

Fazit:

Wie bereits zu befürchten war, fehlt es an klaren Konzepten und Zielen in der Pflege. Viele Maßnahmen wurden ohnehin bereits mit der aktuellen Pflegereform auf den Weg gebracht. Es fehlt eindeutig der Mut, neue Wege in der Pflege zu beschreiten, die Pflegebürokratie abzubauen und die professionelle Pflege von staatlichen Vorgaben und Überwachungsgremien zu entlasten.

Gerade dies wäre aber erforderlich, um den Beruf attraktiver und die Pflege zukunftssicher flexibel zu gestalten sowie die Existenzen von kleinen und mittelständischen Leistungserbringern in der Pflege dauerhaft zu sichern.

Große innovative und fortschrittliche Maßnahmen in der Pflege werden von dieser Regierung nach den Ankündigungen im Koalitionsvertrag  nicht zu erwarten sein.

 

Schwerpunktseite Pflegereform

Mit der neuen Pflegereform hat der Gesetzgeber ambulante Pflegedienste und stationäre Pflegeeinrichtungen mitten in der anhaltenden Corona-Pandemie vor eine weitere gewaltige Herausforderung gestellt.

Die Kopplung von Versorgungsverträge an eine faktische Tarifbindung, die Einführung von Leistungszuschüssen, die die Eigenanteile der Bewohner reduzieren sollen, und die Ankündigung von neuen Personalschlüsseln mit Erhöhung der Personalbedarfe, sind zeitaufwendige Projekte für jede Pflegeeinrichtung.

Gerade bei den sogenannten Tariflöhnen überwiegen Unsicherheiten und existentielle Gefahren für die Pflegeeinrichtungen, zumal die Pflegekassen mit der Umsetzung ihrer Informationspflichten, z.B. bei der Tarifübersicht und Veröffentlichung von Richtlinien, im Verzug sind.

Auf unserer Schwerpunktseite Pflegereform 2021/22 wollen wir Sie über wichtige Änderungen informieren und Ihnen eine Grundlage geben, Fehler zu vermeiden und richtige Entscheidungen zu treffen.

Selbstverständlich werden wir Sie bei Bedarf auch auf diesen Wegen begleiten.

Zusätzliche Informationen:

  1. Überblick
  2. Förderung Personalkonzepte
  3. Eigenanteil-Leistungszuschuss
  4. Tarifbindung
  5. Personalschlüssel
  6. Zeitplan

Neue Praxisseminare 2021

Krankheitsdiagnosen offenbaren?

Wann müssen Arbeitnehmer Krankheitsdiagnosen offenbaren?

Werden Arbeitnehmer arbeitsunfähig, wünschen die meisten Arbeitgeber gute Besserung und hoffen auf eine baldige Wiederkehr. Der Gesetzgeber sichert erkrankten Arbeitnehmern Entgeltfortzahlungsansprüche und meistens einen erhöhten Kündigungsschutz zu. In der Regel soll der Arbeitgeber nicht erfahren, woran der Arbeitnehmer erkrankt ist, weil es sich um sensible und persönliche Daten handelt. Hiervor gibt es aber Ausnahmen, die oft nicht bekannt sind und Anlass zu vermeidbaren Streitigkeiten geben. Wir wollen eine kurze Übersicht über einige Fallkonstellationen geben, in denen Arbeitnehmer grds. verpflichtet sind Krankheitsdiagnosen zu offenbaren:

Zweifel an Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Haben Arbeitgeber berechtigte Zweifel an einer vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB), kann der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung zunächst verweigern. Der Arbeitnehmer muss dann diese Zweifel ausräumen, indem er darlegt und beweist, dass die attestierte Arbeitsunfähigkeit tatsächlich vorlag. Dazu wird er regelmäßig zur Erkrankung vortragen und den Arzt von der Schweigepflicht entbinden müssen. Zweifel an einer AUB können z.B. vorliegen:

  • Rückdatierung der AUB von mehr als 3 Tagen,
  • häufige Erkrankungen vor bzw. nach Urlauben oder arbeitsfreien Wochenenden,
  • angekündigte Erkrankungen, gerade nach Streit im Unternehmen,
  • langfristige Erkrankungen die nur durch Hausarzt, aber nicht durch Facharzt bestätigt werden,
  • widersprüchliche Angaben zu einem Unfallhergang oder
  • genesungswidriges Verhalten.

Streit über Erst- oder Fortsetzungserkrankung

Überschreiten innerhalb eines Zeitraumes von 6 Monaten die Zeiten der Entgeltfortzahlung mehr als 42 Tage, weil der Arbeitnehmer wiederholt Erstbescheinigungen vorlegt, ist der Arbeitgeber berechtigt, zunächst die Entgeltfortzahlung zu verweigern (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 EfzG). Er kann den AN auffordern Sachverhalte bzw. Diagnosen konkret vorzutragen, aus denen sich ergibt, dass es sich tatsächlich um neue Erkrankungen handelt und nicht nur um Symptome, die auf dieselbe Grunderkrankung (Epilepsie, MS, Psychosen usw.) beruhen. In diesem Fall wäre es eine Fortsetzungserkrankung, die nach 42 Tagen – innerhalb eines Zeitraumes von 6 Monaten – eine Entgeltfortzahlung ausschließt. Im Streitfall hat der Arbeitnehmer seine Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden. Einfache Erklärungen der Krankenkasse oder des Arztes, dass die Krankheiten in keinem Zusammenhang stünden, sind nach der Rechtsprechung des BAG nicht ausreichend.

Einheit des Verhinderungsfalles

Überschneiden sich verschiedene Krankheiten, wird von einer einheitlichen Erkrankung ohne Entgeltfortzahlung nach 42 Tagen ausgegangen. Streitig werden Sachverhalte, wenn zwischen zwei Erkrankungen wenige arbeitsfreie Tage (z.B. Wochenende) liegen. Das BAG fordert bei streitigen Konstellationen eine Darlegung des Arbeitnehmers, ob die eine Erkrankung bereits ausgeheilt war, also nicht mehr zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat, und die nächste Erkrankung erst nach der ausgeheilten Erkrankung begonnen hat (z.B. Unfall auf dem Weg zur Arbeit). Auch hier wird der AN die Krankheiten darzulegen und ggf. zu beweisen haben.

Krankheitsbedingte Kündigung

Ist der Arbeitnehmer häufig (mehrere Jahre mehr als 6 Wochen im Jahr), bereits länger (regelmäßig länger als 12 Monate) oder absehbar noch mindestens 24 Monate arbeitsunfähig, kann der Arbeitgeber hieraus eine negative Prognose ableiten und ggf. das Arbeitsverhältnis aus personenbedingten, also krankheitsbedingten, Gründen kündigen. Der Arbeitnehmer muss dann darlegen, dass er trotz der negativen Prognose eine positive Gesundheitsprognose hat, da er in absehbarer Zeit wieder arbeitsfähig wird bzw. zukünftig nicht mehr mit erheblichen Krankheitszeiträumen zu rechnen ist. Dazu wird der Arbeitnehmer regelmäßig die Krankheiten offenbaren und seine Ärzte von der Schweigepflicht entbinden müssen. Unabhängig davon, wird in aller Regel der Arbeitgeber gut beraten sein, vor einer solchen Kündigung ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchzuführen, um sich nicht vorhalten zu lassen, er hätte mit der Kündigung unverhältnismäßig gehandelt.

Praxistipp:

Die Arbeitsunfähigkeit im Arbeitsverhältnis ist ein schwieriges und sensibles Thema. Während regelmäßig Arbeitgeber die Genesung ihrer Arbeitnehmer fördern wollen, können häufige bzw. längere Erkrankungen oder Erkrankungen nach Auseinandersetzungen den Wunsch des Arbeitgebers nach Gewissheit wecken. Je nach Einzelfall ist dann der Arbeitnehmer verpflichtet, Angaben zu seinen Erkrankungen zu geben und diese zu belegen. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer sollten sich in solchen Situationen qualifiziert anwaltlich beraten lassen, um finanzielle Nachteile zu vermeiden oder aus Sicht des Arbeitnehmers den Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht zu gefährden.

RA Kälble hält sowohl in der Anwaltsfortbildung als auch bei Unternehmen Schulungen, um solche Zweifelsfragen erkennen und praxistauglich lösen zu können.