Neue Zähne für das Nachweisgesetz (NachwG)
Lange wurde das Nachweisgesetz als zahnloser Tiger belächelt, da Verstöße nicht sanktioniert wurden. Dies wird sich ab dem 01.08.2022 drastisch ändern. Der Gesetzgeber hat die am 31. Juli 2019 in Kraft getretene Arbeitsbedingungsrichtlinie (EU-Richtlinie 2019/1152) zum Anlass genommen, das deutsche Nachweisgesetz erheblich auszuweiten. Für Unternehmen der Pflegebranche haben diese Änderungen gerade wegen der aktuellen Pflegereform zur Tariftreue und den diversen Schichtsystemen besondere Bedeutung.
I. Neuregelung
Gemäß der Bundesdrucksache 20/1636 werden u.a. die folgenden unterstrichenen Änderungen zum 01.08.2022 eintreten:
1.) 2 Abs. 1 Satz 1: Der Arbeitgeber hat die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses innerhalb der Fristen des Satzes 4 schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen.
2.) 2 Abs. 1 Satz 4: Dem Arbeitnehmer ist die Niederschrift mit den Angaben nach Satz 2 Nummer 1, 7 und 8 spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung, die Niederschrift mit den Angaben nach Satz 2 Nummer 2 bis 6, 9 und 10 spätestens am siebten Kalendertag nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses und die Niederschrift mit den übrigen Angaben nach Satz 2 spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen.
3.) 2 Abs. 1 Satz 2: In die Niederschrift sind mindestens aufzunehmen
1: Name und Anschrift der Vertragsparteien,
2: Zeitpunkt und Beginn des Arbeitsverhältnisses,
3: bei befristeten Arbeitsverhältnisses ist das Enddatum oder die vorhersehbare Dauer anzugeben,
4: der Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden oder seinen Arbeitsort frei wählen kann,
5: eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit,
6: sofern vereinbart, die Dauer der Probezeit,
7: die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung,
8: die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen,
9: bei Arbeit auf Abruf nach § 12 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes:
die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat,
die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden,
der Zeitrahmen, bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden, der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist, und
die Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat,
10: sofern vereinbart, die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen,
11: die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs,
12: ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung,
13: wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt, der Name und die Anschrift dieses Versorgungsträgers; die Nachweispflicht entfällt, wenn der Versorgungsträger zu dieser Information verpflichtet ist,
14: das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage; § 7 des Kündigungsschutzgesetzes ist auch bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage anzuwenden,
15: ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen.
4.) § 3: Eine Änderung der wesentlichen Vertragsbedingungen ist dem Arbeitnehmer an dem Tag, an dem sie wirksam wird, schriftlich mitzuteilen. Satz 1 gilt nicht bei einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften, Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen und ähnlichen Regelungen, die für das Arbeitsverhältnis gelten.
5.) § 5: Hat das Arbeitsverhältnis bereits vor dem 1. August 2022 bestanden, so ist dem Arbeitnehmer auf sein Verlangen spätestens am siebten Tag nach Zugang der Aufforderung beim Arbeitgeber die Niederschrift mit den Angaben nach § 2 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 bis 10 auszuhändigen; die Niederschrift mit den übrigen Angaben nach § 2 Absatz 1 Satz 2 ist spätestens einen Monat nach Zugang der Aufforderung auszuhändigen.“
6.) § 4: Ferner wurden jetzt u.a. folgende Bußgeldvorschrift eingefügt:
(1) Ordnungswidrig handelt, wer
- entgegen § 2 Absatz 1 Satz 1 eine in § 2 Absatz 1 Satz 2 genannte wesentliche Vertragsbedingung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig aushändigt,
- …
- entgegen § 3 Satz 1 eine Mitteilung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig macht.
( 2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu zweitausend Euro geahndet werden.“
II. Praxistipp
Die geplanten Änderungen sollten gerade im Bereich der Pflege dringend umgesetzt werden.
Arbeitsverträge und etwaige Niederschriften sollten an die neuen Vorgaben angepasst werden. Dabei sind die Besonderheiten der Schicht- und Abrufarbeit sowie die differenzierten Vergütungssysteme in der Pflege zu beachten.
Aufgrund der aktuellen Pflegereform nach dem GVWG und den neuen Vergütungsstrukturen im Rahmen der Tariftreuregelungen, bietet sich die Neugestaltung von Arbeitsverträgen ohnehin an. Dennoch sollte die gesetzliche Umsetzungsfrist zum 01.08.2022 im Auge behalten werden.
Es ist darauf zu achten, dass spätestens mit Beginn des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer ein vom Arbeitgeber unterschriebenes Exemplar des Arbeitsvertrages nachweisbar überreicht wurde und wesentliche Änderungen rechtzeitig nachgewiesen werden.
Bei Altverträgen sollte die kurze Reaktionsfrist von 1 Woche auf Aufforderungen des Arbeitnehmers nach § 5 nicht übersehen werden.
Selbst wenn die Geldbuße mit bis zu 2.000,00 € relativ überschaubar ist, wäre ein Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht nur ärgerlich, sondern kann zudem die Zuverlässigkeit eines Einrichtungsträgers erschüttern.
Auch wenn die Änderungen sicherlich weniger einen Bürokratieabbau als vielmehr das Gegenteil bedeuten, so sollten die neuen Vorgaben nicht unbeachtet bleiben, zumal der „Teufel im Detail“ stecken kann.
Wir empfehlen allen Arbeitgebern, sich umgehend mit den neuen Anforderungen vertraut zu machen und Arbeitsverträge zeitnah anzupassen.
Ihre Ansprechpartner
RA Kälble
RA Hermann