Bundesteilhabegesetz: Neuausrichtung der Eingliederungshilfe zu einer personenzentrierten Teilhabeleistung

Mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) wurde das Recht der Eingliederungshilfe umfassend reformiert. Die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung wird  aus dem bisherigen „Fürsorgesystem“ der Sozialhilfe herausgelöst und zu einem modernen Teilhaberecht weiterentwickelt.

Mit der im BTHG intendierten Neuausrichtung der Eingliederung werden die existenzsichernden Leistungen  für den Lebensunterhalt von den behinderungsbedingten Fachleistungen der Eingliederunghilfe getrennt. Die Regelungen werden dabei durch Ausführungsgesetze der Länder und durch Landesrahmenverträge zwischen Leistungsträgern und Leistungserbringern konkretisiert.

Nach dem BTHG sind Rahmenverträge für die Inhalte der Leistungen der Eingliederungshilfe und deren Vergütung zu vereinbaren. Mit Wirkung zum 01. Januar 2022 ist der Rahmenvertrag nach § 131 SGB IX zur Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe in Niedersachsen in Kraft getreten. Der Beitritt zum Vertragswerk erfolgt durch eine schriftliche Vereinbarung mit dem überörtlichen Träger der Eingliederungshilfe (vertreten durch das Nds. Landesamt für Soziales, Jugend und Familie).

Ziel des Rahmenvertrags ist, die Leistungen der Eingliederungshilfe unter ganzheitlicher Perspektive und ausgerichtet am individuellen Bedarf des Menschen zu erbringen. Die notwendige Unterstützung für erwachsene Menschen mit Behinderung orientiert sich nicht mehr an der Wohnform, sondern am individuellen Bedarf („personenzentrierte Sichtweise“).

  1. Fachleistungen der Eingliederungshilfe

Die Träger der Eingliederungshilfe und die Leistungserbringer schließen Vereinbarung nach §§ 123 ff. SGB IX ab. Als Vereinbarungsgrundlage dienen die Rahmen- und Regelleistungsvereinbarungen, welche die Gemeinsame Kommission beschlossen hat. Hierbei werden einrichtungsübergreifende Leistungstypen vereinbart, die danach unterscheiden, welche Behinderung (körperlich, geistig oder seelisch) überwiegend vorliegt. Ferner wird eine Unterscheidung nach Leistungsart „teilstationär oder „stationär“ und der betroffenen Altersgruppe vorgenommen. Die Bezeichnung „stationäres Wohnen“ wurde dabei durch die Bezeichnung „besondere Wohnformen“ ersetzt.

In Niedersachsen gelten einheitliche Leistungspauschalen für zehn unterschiedliche Leistungstypen, die im Rahmenvertrag nach § 131 SGB IX in Anlage 1 aufgeführt und in Anlage 4 beschrieben sind. Der Teilhabebedarf des Menschen mit Behinderung wird dabei individuell, bedarfsgerecht und umfassend gedeckt. Die Grundsätze von Erforderlichkeit, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit werden beibehalten.

  1. Existenzsichernde Leistungen

Von der Fachleistungen der Eingliederungshilfe werden hierbei die existenzsichernden Leistungen getrennt. Diese werden nach den Vorschriften des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII erbracht. Menschen mit Behinderung, die in besonderen Wohnformen leben, ergeben sich dabei folgende Änderungen:

Nach § 42a Abs. 2 SGB XII ergibt sich die Höhe des als Lebensunterhaltsbedarf zu berücksichtigten Anwendung für Unterkunft und Heizung aus einer Pauschale aus der Æ Warmmiete eines Einpersonenhaushalts im Zuständigkeitsbereich des SGB XII Träger und einem Aufschlag von bis zu 25 % für gesondert ausgewiesene Kosten. Diese zusätzlichen Kosten u.a. für Mobiliar, Haushaltsstrom, Telekommunikation müssen im Wohn- und Betreuungsvertrag daher gesondert ausgewiesen werden. Für Leistungen zum Lebensunterhalt sind die Träger der Sozialhilfe zuständig.

Praxistipp

Mit der Umsetzung gehen umfangreiche Neuregelungen zur Bedarfsfeststellung, zum Gesamtplanverfahren und zur Partizipation der Menschen mit Behinderung mit dem Ziel einer personenzentrierten Ausrichtung einher. Im Rahmen der Umsetzung des BTHG sind neue Herausforderungen für Leistungserbringer in der Eingliederungshilfe zu bewältigen. Dabei bietet sich auch die Gelegenheit für Leistungserbringer die Muster und Verträge zu überprüfen und bei Bedarf entsprechend anzupassen:

  • Wohn- und Betreuungsvertrag
  • Vorvertraglichen Informationen und Allgemeine Vertragsregelungen
  • Ausschluss von Vertragsanpassung bei Änderung des Pflege- und Betreuungsbedarfs
  • Entgelte für Unterkunft und Betreuungsleistung
  • Datenschutz

Das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie bietet weitere Informationen zu diesem Themenkomplex an.  Aufgrund der Komplexität der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes und den Rechtsfolgen sollten Sie professionelle anwaltliche Unterstützung heranziehen.

Ihr Ansprechpartner

RA Hermann