Änderung Mindestlohn 2020

I. Was ändert sich ab dem 01.01.2020 beim Mindestlohn?

Ab dem 01.01.2020 steigt der

  1. allgemeine Mindestlohn von

9,19 € auf 9,35 € die Stunde

2. Pflegemindestlohn in den

a) westlichen Bundesländern von 11,05 € auf 11,35 

b) östlichen Bundesländern von 10,55 € auf 10,85 .

Die Beträge sind Bruttobeträge und geben das sog. Arbeitnehmerbrutto wieder.

Der Pflegemindestlohn gilt für alle Mitarbeiter, die in der Pflege tätig sind und den Betreuungskräften nach § 43b SGB XI.

Der allgemeine Mindestlohn gilt für Mitarbeiter, die nicht in der Pflege tätig sind. Hierzu gehören z.B. Mitarbeiter in der Verwaltung, Haustechnik, Küche, hauswirtschaftlichen Versorgung, Gebäudereinigung, im Bereich des Empfangs- und des Sicherheitsdienstes, in der Garten- und Geländepflege, Wäscherei sowie Logistik.

II. Welche Maßnahmen sind zu ergreifen?

1. Gehaltsabrechnungen

Die Änderung der Gehaltsabrechnungen sollte durch die Buchhaltung bzw. die Steuerberatung vorgenommen werden. Die Vergütungserhöhung wirkt sich erstmals mit der Januarabrechnung 2020 aus.

Für Mitarbeiter, die bisher schon mindestens den neuen Mindestlohn verdient haben, ändert sich bei der Vergütung nichts.

Für Mitarbeiter, die den bisherigen Mindestlohn oder eine Vergütung unterhalb des neuen Mindestlohnes verdient haben, erhöht sich der Lohn auf die neuen Werte.

Beispiel:

 Im Arbeitsvertrag sind 40 Std. die Woche vereinbart. Dies entspricht einer monatlichen Stundenzahl von 173,33 Stunden (40 Std. * 13 Wo / 3 Monate).

 Die Pflegehilfskraft im Osten verdiente bisher 10,55 € * 173,33 = 1.828,63 € brutto. Ab 2020 wird sie nun 10,85 € * 173,33 = 1.880,63 €, also 52,00 € brutto mehr verdienen, was einer Gehaltssteigerung von ca. 2,8 % entspricht.

  1. Im Westen erhöht sich das Gehalt von 11,05 € * 173,33 € = 1.915,30 € auf 11,35 € * 173,33 € = 1.967,30 €, also um 52,00 € brutto, was einer Gehaltssteigerung von ca. 2,8 % entspricht.
  2. Hat der Mitarbeiter außerhalb der Pflege bei 40 Std. die Woche bisher 9,19 € brutto die Stunde erhalten und damit monatlich 1.592,90 € verdient, steht ihm nun eine Mindestvergütung von 1.620,64 € und damit eine Gehaltserhöhung von 27,74 € zu, was einer Steigerung von ca. 2 % entspricht.
2. Schriftliche Arbeitszeitkonten

Da grundsätzlich jede im Monat gearbeitete Stunde mit dem Mindestlohn zu vergüten ist, muss darauf geachtet werden, dass mit den Mitarbeitern das Führen eines Arbeitszeitkontos schriftlich vereinbart wird. Andernfalls müssen auch sämtliche Über- bzw. Plusstunden jeden Monat ausgezahlt werden. Eine Verrechnung von Plus- und Minusstunden wäre nicht zulässig, wenn der Mindestlohn nicht eingehalten wird.

Ist das Führen von Arbeitszeitkonten nicht bereits mit dem Arbeitsvertrag geschehen, ist unbedingt eine zusätzliche Vereinbarung herbeizuführen. Wichtig ist die Schriftform. Es muss also eine Vereinbarung auf Papier geben.

3. Plusstunden umrechnen

Überstunden bzw. Plusstunden auf einem Arbeitszeitkonto sind grundsätzlich entweder auszuzahlen und/oder in bezahlter Freizeit zu gewähren. Eine Kombination ist möglich. Durch die Anhebung des Mindestlohnes kann überlegt werden, das Stundenguthaben auf dem Arbeitszeitkonto anzupassen.

Beispiel:

Hätte die Pflegehilfskraft Ende 2020 100 Überstunden, wären diese im Westen bis zum 31.12.2019 1.105,00 € (100 Std. * 11,05 €) wert.

 Würden der Pflegehilfskraft nun die 100 Stunden als Freizeit in 2020 gewährt oder ausgezahlt werden, wären die 100 Std. nun 1.155,00 €, also 50,00€, mehr wert.

 Hierauf hat der AN eigentlich keinen Anspruch, weil die bereits erbrachten Überstunden nicht der Mindestlohnerhöhung unterfallen. Der Arbeitgeber wäre grundsätzlich berechtigt, das Arbeitszeitguthaben auf den bisherigen Gegenwert, also auf 97,35 Stunden (1.105,00 € / 11,35 €), umzurechnen. Der Arbeitnehmer behält seinen erwirtschafteten Gegenwert, also 97,5 Stunden * 11,35 € = 1.105,00 €.

4. Aushilfen

Besondere Probleme kann die Mindestlohnerhöhung bei Aushilfen auslösen. Werden diese im Bereich der 450 €-Grenze beschäftigt, kann durch die Mindestlohnerhöhung eine Überschreitung der 450 €-Grenze erfolgen. Die Folge wäre, dass das Arbeitsverhältnis nun steuer- und sozialversicherungspflichtig werden würde.

Beispiel:

Die Pflegehelferin im Westen verdient 11,05 € die Stunde.

Sie arbeitet 40,5 Stunden im Monat (11,05 € * 40,5 Std. = 447,53 €).

Durch die Mindestlohnerhöhung auf 11,35 € würde sie jetzt 11,35 € * 40,5 Std. = 459,68 € verdienen, wodurch das Arbeitsverhältnis steuer- und sozialversicherungspflichtig werden würde.

Als Grenze der monatlichen zulässigen Stunden gilt mithin im

  1. Westen: 450 € / 11,35 € = 39,6 Std. (Besser: max. 39 Std.)
  2. Osten: 450 € / 10,85 € = 41,45 Std. (Besser: max. 41 Std.)

Es ist deshalb darauf zu achten, dass die Monatsgrenze nicht überschritten wird. Ist eine feste Stundenzahl vereinbart, sollte diese durch eine schriftliche Vereinbarung mit dem Mitarbeiter auf die zulässige Stundenzahl reduziert werden. Ist der Mitarbeiter dazu nicht bereit, wird das Arbeitsverhältnis steuer- und sozialversicherungspflichtig, was ggf. für den Arbeitgeber billiger werden könnte. Allerdings bestehen mit der Überschreitung der 450,00 €-Grenze für den Arbeitgeber abweichende Melde- und Beitragspflichten.

5. Hohes Risikopotential

Fehler bei der Mindestlohnberechnung können zu erheblichen Rechtsfolgen, wie z.B. Bußgeld- und Strafverfahren sowie Beitrags- und Steuernachzahlungen führen.

Im Zweifel sollten Sie dringend Rechtsrat einholen.

 

Beitrag in der Altenheim zur Berechnung von Tariflöhnen in Pflegesatzverhandlungen

Pflegerecht: Tariflöhne in Pflegesatzverhandlungen richtig berechnen!

Die Diskussion um einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag in der stationären Pflege hält an. RA Kälble stellt in einem Beitrag in der Zeitschrift „Altenheim“ die richtige Berechnung von Tariflöhnen dar.

Er verweist darauf, dass es weder einer vertraglichen Tarifbindung noch einer Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband bedarf. Die Pflegekassen müssen dagegen Gehälter bis zur Höhe eines beliebigen Tarifvertrages refinanzieren.

Allerdings sollte man in Pflegesatzverhandlungen darauf achten, dass die Tariflöhne in der richtigen Höhe angesetzt werden. Schließlich ist darauf zu achten, dass der einrichtungseinheitliche Eigenanteil nicht „aus dem Ruder“ läuft.

Mehr zum Thema in der Altenheim Oktober 2019 (www.altenheim.net) oder unter Veröffentlichungen.

Beitrag in der Altenheim zur Scheinselbständigkeit von Honorarkräften

Herr RA Kälble stellt in einem Beitrag der Zeitschrift Altenheim (9/19, S. 30-31; www.altenheim.net) die Auswirkungen des aktuellen BSG-Urteils zur Scheinselbständigkeit von Honorarkräften in der stationären Pflege dar. Pflegeeinrichtungen, die in der Vergangenheit Honorarkräfte bzw. freie Mitarbeiter in der Pflege eingesetzt haben, sollten sich dringend mit dem Thema beschäftigen. Welche Risiken drohen und welche Maßnahmen einzuleiten sind, werden in dem Beitrag erörtert.

Ergänzende Informationen haben wir auf unserer Schwerpunktseite Scheinselbständigkeit zusammengestellt.

Den Beitrag finden Sie in der Rubrik Veröffentlichungen.

Aktuelle Praxisseminare zum Kündigungsrecht

Im 2. Halbjahr 2019 setzen wir unsere Seminarreihe Arbeits- und Pflegerecht am Abend fort.

Schwerpunkt ist diesmal das Kündigungsrecht. Wegen des Umfanges und der Komplexität des Themas, werden wir dazu drei selbständige Veranstaltungen anbieten. Diese werden sein:

19.09.2019 Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen

24.10.2019 Die krankheitsbedingte Kündigung

28.11.2019 Die verhaltensbedingte Kündigung

Einzelheiten zu den Themen und der Seminarreihe finden Sie hier.

Wir würden uns freuen, wenn wir Sie wieder bei den Seminaren begrüßen können.

Ihre Anwaltskanzlei

Kälble & Kollegen

Schwerpunktseite Scheinselbständigkeit

Das Thema Scheinselbständigkeit ist für viele Unternehmen existenziell. Während  die Aufnahme von Selbständigkeit sogar behördlich gefördert wird (z.B. Ich-AG, Existenzgründungsberatung, Gründungszuschuss), zeigen sich andere Behörden (Deutsche Rentenversicherung, Krankenkassen, Zoll) bei der Frage der Scheinselbständigkeit hartleibig und unnachgiebig.

Immer wieder wird seriösen Unternehmen die „Freelancer“ einsetzen, der Vorwurf der Schwarzarbeit gemacht und es werden Existenz vernichtende Beitragsforderungen und Sanktionen erhoben.

Zudem kursieren im Internet, bei Beratern, Arbeitgebern und selbst bei Gerichten diverse Irrtümer zum Thema Scheinselbständigkeit.

Mit unserer Schwerpunktseite „Scheinselbständigkeit“ wollen wir eine verständliche Übersicht zu dem Thema bieten. Wir wollen vor Irrtümern schützen, Risiken darlegen und Hilfestellung bieten.

Unsere Schwerpunktseite hat folgende Rubriken:

  1. Einleitung
  2. Standpunkte
  3. Abgrenzung
  4. Zweifel und Irrtümer
  5. Betriebsprüfung/Klage
  6. Risiken
  7. Strategien
  8. Branchen

Wir wünschen Ihnen einen hohen Erkenntnisgewinn.

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Kälble & Kollegen

Verschärft das BSG den Personalmangel in der Pflege?

Neue Tendenz zu „freien Mitarbeitern“ in der Pflege

Das BSG hat in einer Entscheidung vom 04.06.2019 eine als Anästhesieärztin tätige Honorarkraft als Arbeitnehmerin eingestuft, weil sie in den Krankenhausbetrieb eingegliedert gewesen sei. Diese Entscheidung dürfte erhebliche Auswirkungen auf eine Verhandlung über den Status von Pflegekräften in stationären Pflegeeinrichtungen haben, die am Freitag, den 07.06.2019, in Kassel stattfinden wird.

In dieser 23. KW wird das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel wichtige Weichen für die Personalsituation in Pflegeheimen stellen.

Im Rahmen eines Komplexes von 17 Statusverfahren prüft derzeit das BSG, ob Honorarärzte und Honorarpflegekräfte selbständig in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen tätig sein können.

Im Wesentlichen stehen sich die Argumente der Befürworter, wonach die Honorarkräfte keinen „wesentlichen“ Weisungen unterworfen sind und sich die Tätigkeit im Krankenhaus oder in der Pflegeeinrichtung aus der „Natur der Sache“ ergibt, den Argumenten der deutschen Rentenversicherung (DRV) gegenüber, die kein ausreichendes Unternehmerrisiko und eine starre Eingliederung in den jeweiligen Betrieb sieht.

Während in der Vergangenheit das BSG den sog. „Soloselbständigen“ die Dienstleistungen erbringen erheblich den „Rücken gestärkt“ hatte, weil bei diesen Dienstleistern das Unternehmerrisiko und die Vereinbarung eines festes Stundensatzes als  wesentliche Kriterien zurücktreten würden, scheint das erste Verhandlungsergebnis vom 04.06.2019 (Az. B 12 R 11/18 R) alle Befürchtungen der Honorarkräfte wahr werden zu lassen.

Entschieden wurde der Status einer Honorarärztin, die in einem Krankenhaus als Anästhesiekraft tätig war. Zuvor holte das BSG noch Stellungnahmen von Berufsverbänden ein, um die Frage zu klären, welche Zusammenhänge es zwischen dem Personalmangel in der Gesundheitsbranche und der freiberuflichen Tätigkeit gebe.

Das Verhandlungsergebnis vom 04.06.2019 ist ziemlich eindeutig. Die Honorarärztin wurde als sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmerin eingestuft. Ausschlaggebend war nach Auffassung des BSG die Eingliederung in den Stationsbetrieb:

So sei bei Ärzten in einem Krankenhaus regelmäßig eine solche Eingliederung gegeben, weil dort ein hoher Grad der Organisation herrsche, auf die die Betroffenen keinen eigenen, unternehmerischen Einfluss hätten. So seien Anästhesisten bei einer Operation in der Regel Teil eines Teams, das arbeitsteilig unter der Leitung eines Verantwortlichen zusammenarbeiten und sich die Betroffenen in die vorgegebenen Strukturen und Abläufe einfügen müssen. Hinzu käme, dass Honorarärzte ganz überwiegend personelle und sachliche Ressourcen des Krankenhauses bei ihrer Tätigkeit nutzten. Die Honorarärztin sei deshalb wie andere angestellte Ärzte vollständig in den Betriebsablauf des Krankenhauses eingegliedert. Unternehmerische Entscheidungsspielräume seien bei einer solchen Tätigkeit als Honorararzt im Krankenhaus regelmäßig nicht gegeben. Die Honorarhöhe sei nur eines von vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien und vorliegend nicht ausschlaggebend.

Von besonderer Bedeutung ist zudem folgende Klarstellung.

Ein etwaiger Fachkräftemangel im Gesundheitswesen hat keinen Einfluss auf die rechtliche Beurteilung des Vorliegens von Versicherungspflicht. Sozialrechtliche Regelungen zur Versicherungs- und Beitragspflicht können nicht außer Kraft gesetzt werden, um eine Steigerung der Attraktivität des Berufs durch eine von Sozialversicherungsbeiträgen „entlastete“ und deshalb höhere Entlohnung zu ermöglichen.

Am kommenden Freitag, den 07.06.2019, steht nun die Verhandlung über eine Honorarpflegekraft in einer stationären Pflegeeinrichtung an. Vor dem Hintergrund der vorstehenden Entscheidung ist kaum noch damit zu rechnen, dass das BSG solche Pflegekräfte in stationären Einrichtungen als freie Mitarbeiter einstufen wird. Zwar könnte man als „Dogmatiker“ noch feine Unterschiede zwischen den Ärzten, die an Operationen teilnehmen, und Pflegefachkräften, die ggf. allein einen Wohnbereich zu betreuen haben, finden, jedoch tuen sich die Sozialgerichte bei solchen feinen Abgrenzungen regelmäßig schwer, zumal sie auch vom Gesetzgeber ziemlich im Stich gelassen werden.

Zwar sind die Entscheidung am Freitag und die ausführlichen Urteilsgründe noch abzuwarten, jedoch ist von einer ähnlichen Entscheidung wie bei den Honorarärzten auszugehen.

Für die Pflegepraxis sind die Auswirkungen in jedem Fall dramatisch. Sind freie Mitarbeiter in der stationären Pflege nicht mehr möglich, werden diese Mitarbeiter entweder in die ambulante Pflege, die private Familienpflege bzw. in die Zeitarbeit abwandern oder den Pflegeberuf aufgeben. Eine Rückkehr in ein Anstellungsverhältnis dürfte für diese Pfleger, die sich häufig bewusst für die Verdienstmöglichkeiten und Freiheiten einer Selbständigkeit entschieden haben, nur selten in Betracht kommen. Damit wird es für die stationären Pflegeeinrichtungen noch schwieriger werden, die Fachkraftquote und den Versorgungsauftrag zu erfüllen. Die Folge werden noch höhere Zeitarbeitskosten, höhere Pflegesätze und Aufnahmestopps sein.

Wenn die Bekämpfung des Personalmangels in der Pflege nicht nur ein Lippenbekenntnis der Politik sein soll, ist der Gesetzgeber am Zug. Wenn Pflegekräfte ihre Dienstleistung als selbständig Tätige anbieten wollen, um selbst flexibel  über ihre Einsatzzeiten, Einsatzorte und ihre Verdienstmöglichkeiten zu entscheiden, sollte der Gesetzgeber dies unter Wahrung der verfassungsrechtlich garantierten freien Berufswahl ermöglichen. Gerne auch mit einer verbindlichen Rentenversicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, besser noch in einem zu schaffenden Versorgungswerk für alle Pflegekräfte.

Gibt es freie Mitarbeiter in der Pflege?

Bei Fremdpersonaleinsatz droht Scheinselbständigkeit!

Der Personalmangel in der Pflege ist im öffentlichen Bewusstsein angekommen. Dennoch sehen die HeimPersVO, Landesheimgesetze und Rahmenverträge kategorisch die Einhaltung der Fachkraftquote und darüber hinausgehende Personalvorgaben vor. Will die Pflegeeinrichtung sich nicht den Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit, eines Regressverfahrens oder gar der Kündigung des Versorgungsvertrages aussetzen, ist sie häufig auf Fremdpersonaleinsatz angewiesen. Dafür kommen neben der Zeitarbeit die „freien Mitarbeiter“, sog. Honorarkräfte, in Betracht.

Doch genau hier kann die Pflegeeinrichtung einen existenzbedrohenden Fehler begehen. Um die Bewohnerversorgung sicherzustellen, werden häufig die freien Mitarbeiter über Pflegeagenturen oder direkt akquiriert. Kommt es dann zu einer Betriebsprüfung der Deutschen Rentenversicherung (DRV), vertritt der Prüfer regelmäßig die Auffassung, dass der freie Mitarbeiter nur scheinselbständig sei. Die DRV fordert dann je Einzelfall für 4 oder im schlimmsten Fall für 30 Jahre die Sozialversicherungsbeiträge nebst Säumniszuschläge nach. Ferner droht ein Strafverfahren.

Die Spruchpraxis der Sozialgerichte ist uneinheitlich. Während einige Gerichte freie Mitarbeiter in der Pflege für zulässig halten, lehnen dies andere Gericht für die stationäre Pflege ab. Weitere Gerichte halten die freie Mitarbeit im Nachtdienst für möglich, während dies im Tagdienst abgelehnt wird.

Der Hinweis vieler Steuerberater, dass eine Scheinselbständigkeit nicht vorliege, wenn der freie Mitarbeiter mehrere Auftraggeber habe, ist in diesem Zusammenhang schlichtweg falsch.

Wegen der Komplexität der Rechtslage und den massiven Rechtsfolgen bei einer Scheinselbständigkeit, sollten Pflegeeinrichtungen, die die Zusammenarbeit mit freien Mitarbeitern in Erwägung ziehen, vor deren Beauftragung eine anwaltliche Beratung einholen.

Praxistipp: Bevor Sie freie Mitarbeiter beauftragen, sollten Sie mit anwaltlicher Unterstützung die vertraglichen Vereinbarungen abstimmen und die Einleitung geeigneter Maßnahmen prüfen lassen. Sind Sie bereits ins Visier der DRV gekommen, sollten Sie ohne anwaltliche Beratung keine Auskünfte geben. Vor allem sollten keine Fragebögen ohne anwaltliche Begleitung ausgefüllt werden.

Die Personalkosten in der Pflegesatzverhandlung

Häufig ist die „tarifliche“ Vergütung wesentlich höher als von den Pflegekassen zugestanden

Die Personalkosten sind auch in Pflegeeinrichtungen der größte Kostenblock. Für Unternehmen der Pflege haben die Personalkosten existentielle Bedeutung. Zahlt der Betreiber zu geringe Gehälter, gehen Mitarbeiter zu anderen Einrichtungen oder fangen erst gar nicht bei dem Unternehmen an. Auf der anderen Seite kann die Pflegeeinrichtung nur die Gehälter zahlen, die sie in Pflegesatzverhandlungen von den Pflegekassen und den Sozialhilfeträgern refinanziert bekommt.

Zwar hat der Gesetzgeber mit dem neuen § 84 Abs. 2 SGB XI festgelegt, dass die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden kann, jedoch beginnen damit erst die Probleme.

Um die Pflegesatzverhandlung erfolgreich abschließen zu können, muss der Träger vor Beginn der Verhandlungen genau kalkulieren. Insbesondere sind folgende Eckpunkte zu berücksichtigen:

  • Für die Anerkennung tariflicher Vergütung muss die Pflegeeinrichtung keinen Tarifvertrag abschließen oder anerkennen.
  • Die Personalkosten pro Stelle sind anhand des Tarifvertrages zu ermitteln, der als Referenz genommen wird.
  • Die Tarifgehälter können zwischen der Kalkulation der Pflegekassen und des Einrichtungsträgers massiv abweichen. Häufig berücksichtigen die Pflegekassen nicht die diversen Zusatzleistungen, die sich aus einem Tarifvertrag ergeben können.
  • Auf die bisherigen Personal-Ist-Kosten kommt es nicht an, da die Verhandlung prospektiv ist und der Träger ein neues Vergütungssystem etablieren kann.
  • Zusätzlich sind die diversen Personalnebenkosten sorgfältig aufzuarbeiten und zu kalkulieren.
  • Die vorgegebenen Kalkulationsfomulare der Pflegekassen umfassen nicht immer alle relevanten Kostenpositionen.
  • Da die Pflegekassen die Nachweispflichten besonders betonen, ist ein sorgfältig durchdachtes Vergütungssystem zu etablieren.
  • Besonders ist darauf zu achten, keine Zusicherungen gegenüber den Pflegekassen abzugeben, die über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen. Diese werden gerne abgefordert.

Nur wer sich in Kenntnis der genauen Kosten und Verhandlungsstrategien auf die Pflegesatzverhandlungen sorgfältig vorbereitet, wird ein gutes Verhandlungsergebnis erzielen.

Praxistipp: Bereiten Sie sich gut auf die Pflegesatzverhandlungen vor. Stellen Sie konkret die Personalkosten, einschließlich der Personalnebenkosten, dar, die Sie für die Vergütung des Personals, einschließlich des Fremdpersonals, benötigen. Lassen Sie sich nicht von Vorgaben der Pflegekassen zu den Kosten pro Stelle beeindrucken. Diese weichen teilweise ca. 10.000,00 € von dem ab, was eine Tarifstelle tatsächlich kosten würde. Lassen Sie sich professionell unterstützen.

Neue NuWGPersVO verordnet Misstrauen!

Pflicht zur Einholung eines erweiterten Führungszeugnisses

Ab dem 01.01.2019 ist die „Verordnung über personelle Anforderungen für unterstützende Einrichtungen nach dem Niedersächsischen Gesetz über unterstützende Wohnformen“ (NuWGPersVO) in Kraft getreten. Die Verordnung regelt u.a. die persönliche und fachliche Eignung der Heimleitung und des sonstigen Personals in Pflegeheimen.

Besonders auffällig ist die neue Pflicht des Betreibers, vor Aufnahme einer jeden Beschäftigung ein erweitertes oder gleichwertiges Führungszeugnis einzuholen. Dieses darf nicht älter als drei Monate sein (§ 2 Abs. 4 NuWGPersVO i.V.m. § 30a Abs. 1 Nr. 1 BZRG).

Das erweiterte Führungszeugnis kann u.a. Verurteilungen wegen Verletzung von Fürsorge- und Erziehungspflichten, Ausbeutung von Prostituierten, Zuhälterei, exhibitionistische Handlungen, sexuelle Belästigung, Verschaffung von Kinderpornographie, Menschenhandel aber auch Misshandlung von Schutzbefohlenen beinhalten.

Selbst wenn die Kenntnis der einen oder anderen Verurteilung einiges Gewicht für eine Einstellungsentscheidung haben könnte, wird nunmehr jeder Bewerber unter Generalverdacht gestellt. Zudem wird dem Arbeitgeber faktisch die Pflicht zur Erteilung von Berufsverboten übertragen, was eigentlich eine sensible hoheitliche Aufgabe darstellt. So müsste die Behörde eine sorgfältige abgewogene Entscheidung über ein Berufsverbot herbeiführen, welche gerichtlich überprüfbar wäre. Diese Entscheidung obliegt nun für die jeweilige Einstellung dem Heimbetreiber. Doch welcher Heimbetreiber würde nach einer positiven einschlägigen Eintragung dem Bewerber noch ein Chance geben und sich im Zweifel „zwischen alle Stühle“ setzen?

Praxistipp: Betreiber werden nicht umhinkommen, die gesetzliche Vorgabe umzusetzen. Fordern Sie deshalb die Bewerber auf, ein aktuelles erweitertes Führungszeugnis einzuholen und lassen Sie sich dieses im Original vorlegen. Hierzu müssen Sie dem Bewerber eine schriftliche Aufforderung übergeben, aus der sich ergibt, dass nach § 2 NuWGPersVO die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses wegen einer Beschäftigung in einem Pflegeheim gesetzlich vorgegeben ist. Bei einschlägigen positiven Einträgen sollten Sie sich von der Heimaufsicht über eine Einstellung beraten lassen.

 

Ärztliche Kooperationsverträge in Pflegeeinrichtungen

Aus „soll“ wird „muss“

Mit dem seit Januar 2019 geltenden Pflegepersonalstärkungsgesetz (PpSG) hat der Gesetzgeber die Regelung des § 119b SGB V verschärft. Aus der „Soll-“ wurde eine „Muss-Vorschrift“, wodurch Heimträger nunmehr verpflichtet sind, Kooperationsverträge mit der Ärzteschaft abzuschließen. Lässt sich für die Pflegeheime kein geeigneter vertragsärztlicher Leistungserbringer finden, hat das Pflegeheim bei der Kassenärztlichen Vereinigung einen Antrag auf Vermittlung eines geeigneten Arztes zu stellen. Bei erfolgloser Vermittlung darf das Pflegeheim auf Antrag selber einen Arzt anstellen. Aufgrund des Ärztemangels wird diese Pflicht schwer zu erfüllen sein. Doch was passiert, wenn kein kooperationswilliger Arzt gefunden werden kann?

Sanktionen sind bisher im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen, so dass bei einem Verstoß insbesondere kein Ordnungswidrigkeitenvorwurf droht. Ob die Pflichtverletzung zu einem Regressverfahren nach § 115 Abs. 3 SGB XI führen kann, bleibt abzuwarten.

Praxistipp: Pflegeeinrichtungen sollten sich nachweisbar bei geeigneten Ärzten um einen Kooperationsvertrag bemühen. Wenn abzusehen ist, dass die Bemühungen ins Leere laufen, sollte die Vermittlung durch die Kassenärztliche Vereinigung beantragt werden. Gelingt das Vorhaben nicht, sind vorläufig keine unmittelbaren Nachteile zu erwarten. Gleichwohl sollte auch im Hinblick auf die ab Herbst 2019 geltende indikatorengestützte Qualitätsprüfung der Abschluss von Kooperationsverträgen nicht außer Acht gelassen werden, da die ärztliche Versorgung im Pflegeheim voraussichtlich ein Bewertungskriterium sein wird.